Themenüberblick
Wer ist eigentlich der Gesamtbetriebsrat (GBR) bei Atos?
Wie kommt es zu einer Gesamtbetriebsvereinbarung?
Was passiert, wenn eine GBV oder BV gegen ein Gesetz verstößt?
Was ist das Günstigkeitsprinzip?
Was bedeutet Nachwirkung?
Was ist eine Einigungsstelle?
Die Ausschüsse des GBR
Was ist das Stimmengewicht?
Wozu benötigt der GBR eine Prioritätenliste?
Wann ist der GBR zuständig, wann der BR?
Was bedeutet Sitzverteilung nach D’Hondt?
Was ist ein prekäres Beschäftigungsverhältnis?
Wer ist eigentlich dieser Gesamtbetriebsrat (GBR) bei Atos?
Der GBR setzt sich aus von den einzelnen lokalen Betriebsratsgremien delegierten Betriebsräten zusammen. Leider hat partner@Atos im Wahljahr 22 kein internes Mandat erhalten, weder für AIT noch für AIG. Erst in 2026 kann darüber wieder neu abgestimmt werden.
Wie kommt es zu einer Gesamtbetriebsvereinbarung?
Sowohl Arbeitgeber als auch die Mitbestimmungsgremien haben die Möglichkeit, zu nahezu allen Themen eine GBU-weit gültige Regelung zu schaffen. Oftmals beauftragen die lokalen BR-Einheiten den GBR, um eine einheitliche Lösung zu finden und nicht in jeder BR-Einheit eine eigene Regelung etablieren zu müssen. Hierzu tritt der vermeintlich am besten geeignete Ausschuss, gesetzlich verpflichtend nichtöffentlich, in Gespräche, später dann in konkrete Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite ein. Das Verhandlungsziel wird durch den GBR vorgegeben. Die Verhandlungen finden zwischen dem relevanten Ausschuss des GBRs und Vertretern der Arbeitgeberseite statt. Sollte es notwendig sein, einen anderen Ausschuss zu beauftragen oder mit zu involvieren, so wird dies Ausschuss intern geregelt.
Die Ausschüsse wiederum können zwar engagiert im Auftrag des GBR verhandeln, jedoch keinerlei Beschlüsse fassen oder eigene Entscheidungen treffen. Dies obliegt nur dem GBR selbst.
Sie verhandeln also mit dem AG einen für beide Seiten akzeptablen und gangbaren Textvorschlag, der dann dem monatlich tagenden GBR intern vorgestellt wird, sofern es das Thema aus organisatorischen Gründen auf die Tagesordnung schafft. Dies entscheidet der betriebführende Ausschuss (BA, siehe auch „Die Ausschüsse des GBR“) in der Woche vor der eigentlichen GBR-Sitzung. Nachdem in der GBR-Sitzung dann ALLE offenen Fragen ausreichend geklärt sind, wird abgestimmt. Lies Dir dazu das Thema „Stimmengewicht“ kurz durch. Nach positivem Beschluss wird der Arbeitgeber informiert, sodass dieser die GBV paraphieren (jede einzelne Textseite muss handschriftlich abgezeichnet werden, wir haben GBVen von einer Seite bis zu 50 Seiten) und in SharePoint veröffentlichen kann. Erst mit dieser letzten Aktion bekommt die GBV dann ihre Gültigkeit. Bei Ablehnung geht das Spiel dann von vorne los oder landet bei der Einigungsstelle oder vor Gericht. Die Wahrung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ist somit sichergestellt. Ihr könnt euch also gut vorstellen, weshalb manche GBVen von der Intention bis zur Gültigkeit auch schonmal ein Jahr andauern können…
Eine abgeschlossene GBV hat übrigens Gesetzescharakter und ist damit rechtswirksam.
Was passiert, wenn eine GBV oder BV gegen ein Gesetz verstößt?
(Gesamt)Betriebsräte sind selten Juristen mit Staatsexamen. Sowohl BR als auch GBR haben deshalb einen Rechtsbeistand, der sie in ihrer Arbeit unterstützt. Dennoch könnte es passieren, dass eine Vereinbarung gegen geltendes Recht verstößt. Dieser Fall ist aber klar geregelt, selbst wenn unbeabsichtigt verstossen wurde. Hierzu wurde vom Gesetzgeber eine Rangfolge festgelegt. Grundsätzlich gilt in absteigender Folge folgendes Prinzip:
1 – Europarecht vor
2 – Grundgesetz vor
3 – Gesetze und Verordnungen vor
4 – Tarifvertrag vor
5 – (Gesamt)Betriebsvereinbarungen
Eine abgeschlossene Betriebsvereinbarung, die z.B. gegen ein Gesetz verstösst, ist unwirksam, zumindest der auslösende Teil der Vereinbarung. Gleiches würde beispielsweise für eine Konstellation Grundgesetz-Europarecht gelten. Es ist also sehr wichtig, Vereinbarungen akribisch nach Fehler zu untersuchen, bevor sie abgeschlossen werden. Hierzu gibt es zum Glück ausreichend Literatur, Fallbeispiele und Urteile aus der Rechtsprechung, die eigene Erfahrung und eben – den Rechtsbeistand.
Was ist das Günstigkeitsprinzip?
Oftmals liest man in GBVen, BVen, Gesetzen oder Verträgen vom sog. Günstigkeitsprinzip. Einfach erklärt sich das an einem Beispiel: Das Bundesurlaubsgesetz sieht in Deutschland 24 Urlaubstage vor. Wir bei Atos haben auf Basis 37,5 Wochenstunden an fünf Arbeitstagen aber mehr, nämlich 30 Urlaubstage. Also ein Vorteil unserer Mitarbeiter ggü. den gesetzlichen Mindestanforderungen. Damit übersteuert diese Vereinbarung das ranghöhere Gesetz und ist rechtsgültig. Dieses Prinzip greift auch bei wesentlich komplexeren Zusammenhängen, deren Erläuterung aber die Intention dieser Seite sprengen würde.
Was bedeutet Nachwirkung?
Manche BVen oder GBVen haben einen Paragraphen der Nachwirkung, der im Falle einer Kündigung der Vereinbarung zum Zuge kommt. Die Vereinbarung ist zwar faktisch beendet, wirkt sich aber uneingeschränkt bis zu dem Zeitpunkt aus, an dem eine neue Vereinbarung parafiert ist. Die kündigende Partei (meist der Arbeitgeber) hat also ein ureigenes Interesse daran, schnellstmöglich zu einer neuen Vereinbarung zu kommen. Die Mitarbeiter sind in dieser „regelungfreien“ Zeit weiterhin geschützt und nicht der Laune des Arbeitgebers ausgesetzt. Im Umkehrschluss ist der GBR oft bestrebt, Vereinbarungen, welche die Arbeitgeberseite gerne haben möchte, OHNE Nachwirkung abzuschliessen…
Was ist eine Einigungsstelle?
Eine Einigungsstelle hat keine Adresse oder Telefonhotline, wie viele denken! Sie besteht vielmehr aus gleich vielen Vertretern („Beisitzern“) des Arbeitgebers und der Mitbestimmung, sowie einem unparteiischen Vorsitzenden; wird man sich vorab über den Unparteiischen oder über die Anzahl der Beisitzer nicht einig, entscheidet das Arbeitsgericht. Als Unparteiische werden meistens erfahrene Arbeitsrichter herangezogen.
Das Verfahren selbst findet nichtöffentlich, meistens direkt im Betrieb statt. An den Verhandlungen können weitere Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter teilnehmen, sie sind aber von der Abstimmung ausgeschlossen. Im Einigungstermin tragen die Teilnehmer ihre Argumente vor. Da tatsächlich eine Einigung erzielt werden soll, ist der Unparteiische darauf aus, die Angelegenheit nicht selbst entscheiden zu müssen, sondern er ermuntert die Parteien, selbst eine Einigung zu erzielen. So soll eine Annäherung der Parteien ermöglicht werden.
Am Ende wird ein Beschluss verkündet, der dann, wie es so schön heißt, „die freiwillige Einigung der Betriebsparteien“ ersetzt.
Die Ausschüsse des GBR
Der GBR ist in Ausschüsse unterteilt um die anfallende Arbeit zeitnah bewältigen zu können. Die Ausschüsse sind mit festen Mitgliedern besetzt, die das jeweilige Thema sehr gut beherrschen. Beispiele hierfür sind Datenverarbeitungs- und Wirtschaftsausschuss, betriebsführender- und Arbeitssicherheitsausschuss. Viele Delegierte sind in mehreren Ausschüssen aktiv, ansonsten wäre die Menge der anfallenden Themen gar nicht mehr zu bewältigen und die Ausschüsse nicht arbeitsfähig.
Innerhalb der Ausschüsse gibt es oftmals noch weitere Unterteilungen in Verhandlungsdelegationen und Arbeitsgruppen, abhängig vom nötigen Fach-KnowHow, Prioitätenlisten und Zeitkontingent der Delegierten. Jeder Ausschuss tagt mindestens einmal monatlich um die Arbeit voranzubringen. Einige Ausschüsse sind jedoch derart zeitintensiv, dass sie auch mehrmals im Monat zusammensitzen. Jede Ausschusssitzung beginnt mit der Feststellung der Beschlussfähigkeit (mind. 3 Delegierte anwesend). Damit wird sichergestellt, dass kein Ausschuss eine „One-Man-Show“ durchführen kann.
Die Ausschussarbeit ist die eigentliche Arbeit, der GBR selbst beschließt dann „nur noch“ die erarbeiteten Ergebnisse. In der laufenden Legislaturperiode haben wir über alle Ausschüsse hinweg aktuell etwa 150 Beschlüsse, Protokollnotizen und Nachträge erarbeitet und abgestimmt, viel zu tun also für die Delegierten.
Was ist das Stimmengewicht?
Jedes Gesamtbetriebsratsmitglied hat bei einer Abstimmung eine Anzahl an Stimmen, die sich aus der Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer seiner Betriebsratseinheit, die in der Wählerliste zum Zeitpunkt der BR-Wahl eingetragen waren, ergibt.
Hat eine BR-Einheit viele stimmberechtigte Mitarbeiter, so haben die von dort entsandten Delegierten mehr Stimmengewicht pro Delegierter als die Delegierten einer kleinen BR-Einheit. Gerecht oder ungerecht? Das Gesetz sieht dies so vor (für Interessierte: § 47 Abs. 7 und 8 BetrVG). In der Amtszeit 2022 bis 2026 wird Fürth eine Stimmwucht von etwa 1.350 Stimmen haben und ist somit, nach München, zweitgrößter Standort in Deutschland.
Wozu benötigt der GBR eine Prioritätenliste?
Vielfältige Themen, dringende Anliegen, Unternehmens(ver)käufe, Umstrukturierungen, Einführung neuer Verfahren; der Arbeitgeber kommt gerne und oft mit Themen „um die Ecke“ und erklärt, dass sein Thema supereilig ist. Um zu vermeiden, dass wir unsauber arbeiten oder uns vom Arbeitgeber vor sich hertreiben lassen, gibt es eine Prioritätenliste. Diese Liste wird gemeinsam mit dem Arbeitgeber jährlich abgestimmt. Kommt jetzt „plötzlich“ ein wichtiges Thema hoch, so muss der AG eben entscheiden, welches andere Thema er nach hinten schieben möchte oder sogar ganz fallen läßt. Alle Themen sind aktuell priorisiert von 1 (high) bis 99 (low).
Wann ist der GBR zuständig, wann der BR?
Oft wird, auch von euch, die Frage der Zuständigkeit gestellt und diskutiert. Es gilt hier nicht das Motto „wer am lautesten schreit“, sondern dies ist klar im Betriebsverfassungsgesetz geregelt (§ 50 Abs. 1 BetrVG):
Der Gesamtbetriebsrat ist (nur) dann zuständig, wenn der Sachverhalt ganz ATOS oder einen Betrieb von ATOS, in unserem Fall also die AIG, betrifft und nicht durch eine einzelne, lokale Betriebsratseinheit geregelt werden kann. Sobald es aber möglich ist, den Sachverhalt auch auf der Ebene des örtlichen Betriebsrats zu regeln, ist der Gesamtbetriebsrat nicht mehr zuständig. Eine lokale Betriebsvereinbarung, die der Gesamtbetriebsrat abschließt, ist unwirksam.
Allerdings kann jede BR-Einheit durch einen Beschluss den Gesamtbetriebsrat damit beauftragen, einen Sachverhalt für ihn zu regeln (§ 50 Abs. 2 BetrVG). Es ist also wichtig, dass auch die lokalen BR-Einheiten miteinander kommunizieren und sich abstimmen.
Was bedeutet Sitzverteilung nach D’Hondt?
Das Verfahren wird auch „Divisorverfahren mit Abrundung“ bezeichnet. Es ist eine Rechenmethode um die proportionale, ganzzahlige Sitzverteilung mehrerer Parteien zu ermitteln. Hintergrund ist die Tatsache, dass es naturbedingt eben nur ganze Sitze geben kann, eine Liste bei einer Wahl rechnerisch aber z.B. 10,3 Sitze erreicht, eine andere Liste vielleicht 10,8. Um dies fair auszugleichen, wird zur Ermittlung der tatsächlichen Sitzverteilung das D’Hondt-Verfahren herangezogen.
Bis 1983 übrigens wurde die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag ebenfalls nach D’Hondt ermittelt. Details zu D’Hondt findet ihr im Internet, eine genaue Erklärung würde den Rahmen hier sprengen.
Was ist ein prekäres Beschäftigungsverhältnis?
Hierbei handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis, das dem Arbeitnehmer keine Planungssicherheit gibt. Ein oder mehrere Faktoren treffen dabei zu:
– Kaum Arbeitsplatzsicherheit
– Niedriger Lohn, kaum oder keine Möglichkeit der eigenen Existenzsicherung
– Kein oder nur schlechter Kündigungsschutz
– Keine oder nur sehr niedrige Sozialabsicherung
– Keine Interessensvertretung, wie z. B. Betriebsrat
zurück